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[Interview] Benjamin Luig – Angestellte in der Landwirtschaft

    Angestellte in der Landwirtschaft brauchen mehr Sichtbarkeit im politischen Diskurs

    55% – so groß ist der Anteil der abhängig Beschäftigten an allen Arbeitskräften, wobei zu beachten ist, dass Angestellte in Lohnarbeitsunternehmen in diesen Zahlen vom statistischen Bundesamt nicht mit enthalten sind. Von den Angestellten wiederum hat mehr als die Hälfte einen migrantischen, meist osteuropäischen Hintergrund und arbeitet entweder als Saisonarbeitskraft oder festangestellt auf den Betrieben.

    Der landwirtschaftliche Familienbetrieb und selbstständige Landwirt:innen, sie sind inzwischen eine Minderheit im Agrarsektor.

    Diese Zahlen sollten insofern aufhorchen lassen, als dass bei den sogenannten „Bauern-Protesten“ Anfang 2024 auch immer wieder über zu hohe Lohnkosten geschimpft wurde: ob sich hier die Angestellten vertreten gefühlt haben? Auch Saisonarbeiter:innen waren bei den Protesten nicht sichtbar, geschweige denn dass ihre Perspektiven in politische Forderungen Einzug gehalten hätten.

    Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf: spiegelt die etablierte politische Vertretung „der Landwirtschaft“ überhaupt noch die Bedürfnisse der Mehrheit der Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, wider? Mit dieser Frage müssen sich besonders die landwirtschaftlichen Verbände ehrlich auseinandersetzen, vom Bauernverband und LSV, bis hin zur AbL.

    Die Forderung, dass abhängig Beschäftigte und besonders Saisonarbeiter:innen, mehr Sichtbarkeit in Agrardebatten bekommen müssen, stellt Benjamin Luig seit Jahren unermüdlich. Luig arbeitet für die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), die Angestellte im landwirtschaftlichen Sektor vertritt. Natürlich nimmt die IG BAU damit primär eine Position ein, die den Interessen der arbeitgebenden Bauern und Bäuer:innen widerspricht. Höhere Löhne, Arbeitsschutz, Urlaubszeiten: all diese Punkte tauchen auf der Kostenseite von Betrieben auf. Wenn die IG BAU Tarifverträge mit regionalen landwirtschaftlichen Arbeitgeberverbänden verhandelt, sind die Debatten oft dementsprechend hart.

    Zur aktuellen Lage von Saisonarbeiter:innen gibt’s den jährlichen Bericht der Initiative faire Landarbeit

    Aber im Interview mit die Bauernstimme stellt Luig auch die überlappenden Interessen heraus. Durch den zunehmenden Fachkräftemangel stehe die Branche vor der Herausforderung, junge Leute für die Landwirtschaft zu gewinnen. Sei es für die Hofnachfolge oder um Angestellte für den Betrieb zu finden: die Arbeit in der Landwirtschaft muss attraktiver werden, indem Löhne steigen und Arbeitszeiten an die Bedingungen in der restlichen Wirtschaft angenähert werden. Natürlich sei das nur möglich, wenn die Lohnmehrkosten auch an die abnehmende Hand weitergegeben werden können. Um es kurz zu machen: in der alten Debatte um faire Preise müssten die Angestellten und Arbeitgebenden gemeinsam gegenüber dem Handel und Politik auftreten, um bessere Arbeit in der Landwirtschaft möglich zu machen.